Lieber Herr Putz,
Ihr Buch "Reiten mit Verstand und Gefühl" ist endlich einmal eine Art Reitlehre, die nicht nur Befehle erteilt, sondern auch das Gehirn des Reiters anspricht. So etwas haben wir schon lange vermisst. Alle bisherigen Anleitungen zum "Reiten lernen" waren Anweisungen/Befehle, wie man vorzugehen hat. Hier nun endlich wird mit unendlich vielen Farbbildern und pädagogisch fundierten Hinweisen klar gemacht, wie und warum man beim Reiten so vorgehen soll. Die vielen Hinweise auf veterinärmedizinische Grundlagen und Erkenntnisse und daraus resultierende Empfehlungen bei der Ausbildung von Pferden und beim "Nachreiten" von ausgebildeten Pferden habe ich bisher vergeblich in der Literatur gesucht.
Ich gratuliere Ihnen zu diesem Standardwerk, das dem heutigen Standard an moderner Farbbildwiedergabe und Publikumsanspruch voll entspricht. Glückwunsch dem FN-Verlag, der für wenige Euro diese unendlich nützliche Hilfe für die Ausbildung von Reiter und Pferd an die Öffentlichkeit gebracht hat. Glückwunsch dieser gelungenen „Reitlehre“, die viele Bücher zum gleichen Thema weit in den Hintergrund stellt.
Ihr Helmut Ende
Dr. Helmut Ende (Fachtierarzt für Pferde)
Reiten mit Verstand und Gefühl
von Michael Putz
Die klassische Reitlehre basiert auf den Grundpfeilern funktionelle Anatomie, Trainingsphysiologie und Tierverhalten. Sie ist daher wenig veränderlich. Soll sie lebendig bleiben, muss sich aber trotzdem jede Generation neu damit auseinandersetzen, das tradierte Wissen in die ihr eigene Sprache übersetzen und an sich verändernde Bedingungen anpassen. Genau das leistet das Buch von Michael Putz. So spricht er deutlich aus, dass es wohl noch nie so viele gute Reitpferde gab, die durch ihre Qualität so manchen Verstoß gegen die Grundsätze der klassischen Lehre kaschieren, andererseits durch ihre enormen Bewegungen und ihre Gehlust aber auch so manche Schwierigkeit mit sich bringen, besonders weil es wohl noch nie so viele Reiter in körperlicher "Schreibtischtäterverfassung" gab. Die Übersetzung der klassischen Lehre in die aktuelle Reitersprache gelang dem Autor so gut, dass die Nähe zur Umgangssprache für den reiterlich gebildeten Leser zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig ist. Dadurch werden die Inhalte aber sehr plastisch - wer Grundkenntnisse in der Reitersprache hat, und dieses Buch nicht versteht, der hat vermutlich ein generelles Problem mit der Texterfassung. Unterstützt wird die Anschaulichkeit der Darstellung noch durch eine sehr gute Bebilderung und ein Lay-out, das sehr deutlich macht, welche Aussagen jeweils einen Schwerpunkt darstellen. Die Auswahl der Literaturhinweise demonstriert den Bezug des Autors sowohl zu aktuellen Ideen als auch zur reiterlichen Tradition. Der Grundeinstellung der klassischen Lehre folgend, beginnt das Buch mit der Ausbildung des Reiters. Dabei wird nicht nur beschrieben, wie es sein soll, wenn es richtig ist, sondern vor allem auch, was warum häufig falsch gemacht oder falsch verstanden wird. Die Hinweise zur Behebung der jeweiligen Probleme sind äußerst praxisbezogen und erfrischend ehrlich. Wer wegen verkürzter Brustmuskeln nicht gerade sitzen kann, der braucht eben Physiotherapie, und nicht etwa ein neues Pferd. Besondere Erwähnung verdienen die Beschreibung der Zügelhilfen und die Kapitel zur Anlehnung. Hier wird nicht nur niedergeschrieben wie wichtig eine gute Hand ist, deren Einwirkung eben nicht dominiert, und dass man ja nicht mit der Hand reiten solle, sondern es gibt konkrete Hinweise, wie man das macht. So beschreibt der Autor das Nachgeben, das von vielen Reitern missverstanden wird, was dann zu einem nach vorne Stoßen der Hand mit abrupter Aufgabe der Anlehnung führt, einfach als bewusstes Abspannen der Muskulatur in Hand und Armen. Genau ausgeführt ist die Verbindung mit den übrigen Hilfen. Hervorragend ist auch die Anweisung beim Übergang von einer höheren in eine niedrigere Gangart z.B. vom Galopp in den Schritt die neue Gangart mit den treibenden Hilfen zu fordern anstatt die vorhergehende Gangart zu beenden. Bei den Ausführungen zur Handhaltung (ungebrochene Linie vom Ellenbogen zum Pferdemaul), und zwar auch dann, wenn das Pferd eine unerwünschte Haltung einnimmt (die Hand folgt dem Pferdemaul) fragt man sich als Leser, warum sich so etwas nicht längst durchgesetzt hat. Wie oft sieht man Reiter, die verzweifelt versuchen, ein sich überzäumendes Pferd mit hoher Hand aufzurichten, was im besten Falle zu einer aktiven Aufrichtung mit engem Hals und durchhängendem Rücken führen kann. Dabei bräuchten sie nur – wie vom Autor anschaulich beschrieben - energisch an eine dem Pferdemaul folgend, tief gestellte Hand heran zu treiben und nachzugeben, sobald das Pferd den treibenden Hilfen Folge geleistet hat. Das Kapitel zur Ausrüstung des Pferdes könnte kaum treffender sein. Die Beschreibung der derzeit modischen Dressursättel mit "tiefem" Sitz und die Bewegungsfreiheit einengenden Pauschen mit den entsprechenden unerwünschten Folgen für einen losgelassenen und ausbalancierten Sitz findet eine Parallele bei Steinbrecht, der sich mehr als 100 Jahre zuvor in ähnlicher Weise zu den damals üblichen Militärsätteln äußert. Die Perspektive ändert sich, die naturgegebenen Bewegungsabläufe bei Pferd und Reiter bleiben dieselben. Im vorliegenden Werk werden die Möglichkeiten, Nebenwirkungen, Gefahren und Grenzen von Hilfszügeln detailliert beschrieben. Unter dem Strich bleibt die Empfehlung eines sehr begrenzten Einsatzes, vor allem im Anfängerunterricht und beim Longieren. Das folgende Kapitel zur Ausbildungsskala erklärt u.a. wie sich ein Punkt dieser Skala aus dem anderen ergibt, warum man eben nicht bei der Versammlung anfangen kann, und die Losgelassenheit und der taktreine Gang, die kommen dann schon irgendwann. Die Punkte der Ausbildungsskala werden sozusagen als Verkehrszeichen gesetzt. Wenn ein grundlegender Punkt nicht erfüllt ist, fährt der Reiter im übertragenen Sinne verkehrt herum in die Einbahnstraße. Wer beispielsweise nicht im Takt reitet, reitet immer schlecht, auch dann wenn er ein ungleich tretendes Pferd piaffiert. Ein Kleinod sind die Ausführungen zum Geraderichten, also zum Umgang mit der natürlichen Schiefe, die sich auch in den folgenden Kapiteln bei jeder Lektion fortsetzen. Dies stellt wohl die ausführlichste, und vor allem die best verständliche Darstellung dieses Problems in der Reitliteratur dar. Es ist eine ungeheuer wertvolle Schulung des Reitergefühls nach und nach, am besten unter Videokontrolle oder auf den Spiegel zu, sämtliche Lektionen, die man mit seinem Pferd mehr oder weniger beherrscht – angefangen beim Durchreiten einer Ecke – daraufhin durchzugehen und zu erfühlen, wie ist das bei meinem Pferd, wie geht es rechtsum bzw. linksum um die Ecke, in welche Hand drängt das Pferd, an welchen Zügel tritt es nicht gut heran, auf welcher Hand passieren bei welcher Lektion welche Fehler. Hat man die Schiefe des Pferdes erfühlt, so kann man daran gehen, die Anweisungen zum Umgang mit der angeborenen Einseitigkeit umzusetzen. Wer diesen Abschnitt ernsthaft durcharbeitet, wird feststellen, dass viele Probleme, mit denen er jahrelang gekämpft hat, auf einmal lösbar werden. Er wird aber auch verstanden und vor allem selbst erfühlt haben, warum man ein Pferd weder durch permanentes Linksherumreiten noch durch Longieren wirklich gerade richten kann. Die Ausführungen zum Reiten von Lektionen enthalten aber auch über den Umgang mit der Händigkeit hinaus sehr gute Hinweise, wie man häufig beobachtete Fehler abstellen kann. Das Kapitel zum Reiten von Dressurprüfungen, und ganz besonders zum Abreiten sollte Pflichtlektüre für jeden sein, der an Turnieren teilnimmt, denn es gibt klare Anweisungen, wie man einerseits erfolgreich abreitet, andererseits aber unschöne Bilder und eskalierende Auseinandersetzungen mit dem Pferd auf dem Abreiteplatz verhindert. Das Kapitel, zum Anreiten junger Pferde sei vor allem unerfahrenen Reitern empfohlen, bevor sie sich entschließen, sich ein junges Pferd anzuschaffen.
Es sei gestattet, anzumerken, dass das beste Buch nichts nützt, wenn es unterm Kopfkissen liegt oder der Leser nur mal ein bisschen blättert. Ist der Reiter dagegen zur selbstkritischen Analyse (passiert das, was hier beschrieben wird, bei meinem Pferd und mir?) und konsequenten Arbeit bereit und in der Lage, so kann dieses Buch manche Stunde mit einem Lehrer ersetzen oder ergänzen. Wer aber glaubt, das Reitergefühl gepachtet und das alles nicht nötig zu haben, dem sei gesagt, dass die Reihenfolge von Verstand und Gefühl im Titel des Buches nicht zufällig ist. Schließlich muss man wissen, was man eigentlich erfühlen soll.
Prof. Dr. Ellen Kienzle
Prof. Dr. Ellen Kienzle ist Vet.-Medizinerin und seit 1993 Inhaberin des Lehrstuhles Tierernährung und Diätetik an der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie ist selbst Eigentümerin zweier Pferde und aktive Reiterin, war langjährige Schülerin Egon von Neindorffs, sie ist 1. Vorsitzende der neugegründeten Gesellschaft Forschung für das Pferd.
Michael Putz, Reiten mit Verstand und Gefühl
Das Buch in den Händen zu haben und auf das Titelbild zu schauen gewährt mir einen Einstieg, den ich bisher bei keinem Buch hatte. Ich habe mir früher wenig Gedanken über Präsentation eines Buches gemacht, weil es mir dabei immer auf die Inhalte und nicht auf das Outfit ankam. Doch dieses Titelbild überraschte mich. Es zeigt ein Gehirn über einem barocken Reiter; beide werden durch einen Seitenschnitt eines Reiters (Becken/Schenkel) eingerahmt werden. Dabei ist der Kopf des Pferdes noch in sanftem Kontakt mit dem Gehirn des Reiters. Gelungener kann man die Aufmachung eines Buches im Verhältnis zum Titel kaum gestalten, weil bildliche Strukturen inhaltliche Verknüpfungen verdichten.
Dieser gelungene Einstieg hat mich nachdenklich gemacht. Das im Titel angedeutete Thema ist für mich in der Universität ein seit langem verfolgter und immer stärker intensivierter Inhaltsbereich. Wie bekommen wir Menschen (Reiter in diesem Buch) es eigentlich hin, uns richtig unter Einbeziehung von Verstand und Gefühl harmonisch zu bewegen. Man denke an den so viel gescholtenen Unterricht in der Reitbahn: Da wird auf die Reiter ständig mit Forderungen eingedroschen, um die Reiter zum Fühlen zu bewegen; doch das Gefühl wird total vernachlässigt, weil viele dieser Bewegungsaspekte gar nicht dem System der Reitlehre oder den Bewegungsabläufen des Pferdes entsprechen. Auf der anderen Seite rühmen sich Ausbilder, die nicht dirigistisch alle Einzelheiten für die Bewegungen des Reiters und Pferdes festlegen, als fortschrittlich, merken jedoch nicht, dass sie dem Reiter und Pferd keine Orientierungen bieten.
Genau zwischen diesen Polen bewegt sich das Buch von Michael Putz.
Ich bin Bewegungswissenschaftler und habe innerhalb dieses Buches diese Zusammenhänge zu beachten; vorrangig Reitlehregrundlagen zu beurteilen, steht mir nicht zu. Deshalb beziehe ich mich ausschließlich auf diesen Aspekt. Trotzdem darf ich auch manchmal ein wenig in diese Richtung schielen, weil auch ich sie nicht außen vor lassen darf.
Verstand und Gefühl miteinander verbinden zu wollen, ist ein Versuch, der gar nicht hoch genug gewürdigt werden kann. Genau diese beiden Begriffe zeigen die Pole an, zwischen denen Reiten lernen stattfindet. Doch wie ist eigentlich in der Reitsituation die Verwobenheit zwischen diesen beiden Extremen? Und wie ist denn die grundsätzliche Schwerpunktbeachtung der beiden so genannten Partner des Reitens?
M. Putz beginnt sein Buch mit der Ausbildung des Reiters; ein Aspekt, der in Deutschland total vernachlässigt wird, weil wir zu stark die Ausbildung des Pferdes in den Mittelpunkt rücken. Das Pferd bildet zwar das Zentrum der Ausbildung, doch wie soll ein Pferd sich seinem natürlichen System gemäß bewegen, wenn der Reiter es durch seine eigenen Unzulänglichkeiten daran hindert. Diese Ausbildung des Reiters beschreibt M. Putz nicht ausschließlich aus meiner Sicht des Reiters (physiologische Abläufe, etc.), sondern verbindet den Ausbildungsweg des Reiters mit den fundamentalen Zusammenhängen der Reitlehre. Hier wird an den Ausführungen deutlich, dass er seine Ausführungen aus der Praxis für die Praxis entwirft, jedoch hoch fundiert theoriegeleitet ist. Die Ausbildungsskala des Reiters wird stets in reitfachliche Situationen eingebunden. Nur so können Verwobenheiten des Lernens des Reiters mit dem Lernen des Pferdes verknüpft werden. Bisher gibt es kein klassisches Reitbuch, das diese beiden Seiten so konsequent verbindet. Bei den Ausführungen spürt man als Leser auch die im Titel angedeutete Verbindung Verstand und Gefühl. Bewusstheit (Verstand) von Bewegungen des Reiters unter Einbeziehung des Gefühls wird mit sinnvoll planerischen Aspekten (Verstand) des Ausbilders verbunden.
Da ich als Sportpädagoge ausschließlich autorisiert bin, Würdigungen über Dinge vorzunehmen, belasse ich es bei diesen Ausführungen. Doch sei mir – wie ich oben angedeutet habe – auch ein kleiner Ausblick auf die Vermittlung klassischer Lektionen erlaubt. Die Art und Weise der Beschreibungen lässt fundamentales Reitfachwissen (Verstand) und ebenso motorische Sensibilität (Gefühl) erkennen. Dieses Buch sollten Ausbilder gelesen haben, um Reitlernprozesse vertiefender zu verstehen. Jeder Reiter sollte es lesen, um beurteilen zu können, ob der Reitunterricht bezüglich seiner Bewegungsabläufe und die des Pferdes sachgemäß ist.
Eckart Meyners, Lüneburg, den 30.11.2004
Eckart Meyners ist Dozent für Sportpädagogik an der Universität Lüneburg. Seit über 25 Jahren befasst er sich mit dem Thema Bewegungslehre beim Reiten und schult für die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) Landestrainer, Ausbilder, Richter und Reiter. Er ist weit über Deutschland hinaus der anerkannte Experte auf dem Gebiet der Bewegungslehre.