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Lehrbeiträge

Die Grundlagen der klassischen Dressurausbildung als Gesundheitsmanagement für jedes Reitpferd

 

Equitana 2019: Aus der Wissenschaft für die Praxis 2
Unter diesem Namen fand die Tagung der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd e.V. (GWP) auf der Equitana am 11. März 2019 statt. Alle Vorträge dieser Veranstaltung können Sie unter diesem
Link einsehen.

 

Hier kommen Sie direkt zu meiner PowerPoint-Präsentation.

 


Pferdegerechtes Reiten beginnt beim Reiter, seinem Sitz und seiner Hilfengebung


Pferdegerechtes und -freundliches Reiten

Wenn es um pferdegerechtes und -freundliches Reiten geht, ist es nicht damit getan, die Nasen-Stirn-Linie vor an oder vor die Senkrechte zu lassen.

 

Vielmehr kommt es darauf an, daß das Pferd seine Oberlinie öffnet, die Halswirbelsäule aus der Schulter heraus in eine gleichmäßig konvex aufgewölbte Form bringt, um den Reiter richtig, d.h. mit Muskelkraft tragen zu können.

Dieses, wie man herkömmlich sagt, „Fallenlassen des Halses und des Kopfes aus der Schulter heraus“ wird häufig nicht ganz richtig verstanden:

Erst wenn sich das Pferd dabei an die Hand herandehnt und vertrauensvoll an das Gebiß herantritt, der Reiter dabei in der Verbindung einen gewissen Zug nach vorne spürt, kann er davon ausgehen, daß das Pferd mit aktiven Hinterbeinen nach vorne durchschwingt und somit eine gewisse gesunde Anspannung (heute bezeichnet man das als positive Spannung) im gesamten Körper des Pferdes entsteht. Diese sorgt auch dafür, daß der Rumpf bzw. Brustkorb in Selbsthaltung zwischen den Vordergliedmaßen getragen wird und nicht wie bei obenhin gestellten (absolut aufgerichteten) Pferden (Schenkelgängern) zwischen diesen absinkt und hängt. Ohne diese Selbsthaltung ist auch die für eine reelle Biegung notwendige Rumpfrotation nicht möglich (siehe Heuschmann „Stellung und Biegung“).  

Richtig wertvoll wird diese Dehnungshaltung, mit der eigentlich jede Trainingseinheit beginnen sollte, erst durch die Dynamik des An- und Abspannens des Pferdekörpers, die durch das Reiten mit „Wechselrahmen“, wie ich es nenne, zustande kommt. Dazu wird, besonders während der Lösungphase, das Pferd immer wieder von hinten nach vorne etwas geschlossen und wieder vorgelassen, also mit wechselndem Rahmen geritten. Wieviel Schließen dabei möglich ist, hängt vom Gebäude, der Veranlagung und dem Ausbildungsstand des jeweiligen Pferdes ab. Der Reiter muß das mit Gefühl, Geschick und Unterstützung eines kompetenten Ausbilders bzw. Groundmans angemessen dosieren und timen.

 

 

Schließen

Generell gilt in diesem Zusammenhang von Anfang an und erst recht in der weiteren Ausbildung, wenn es um mehr, um höhere Versammlung geht:

Nur wer dieses Schließen so gestalten kann, daß er das Pferd dabei nicht im Hals eng macht, kann optimale Durchlässigkeit erreichen. Der gute, erfahrene Reiter benötigt dazu so gut wie keine aktiven Zügelhilfen. Besonders zu beachten ist dabei der Bogen des Überganges Halswirbelsäule – Brustwirbelsäule.

Bei obenhingestellten Pferden können die Bewegungen nicht durch den ganzen Körper gehen, sie bleiben „Schenkelgänger“; sichtbar an dem Mangel an „Durchschwingen“ der Hinterbeine, also Mangel an reeller Versammlung. „Leider“ erschweren unsere wundervollen modernen Warmblutpferde diese wichtige Analyse des Bewegungsablaufes, weil sie auch in dieser verspannten Haltung noch scheinbar lebendig relativ hoch mit den Hinterfüßen abfußen. Mangels Nutzung des gesamten Federapparates der Hanken werden dadurch aber die unteren Abschnitte der Hinterhand, besonders auch die Fesselträger, häufig überbeansprucht und geschädigt.

 

 

Bei der Beurteilung, ob ein Pferd mit hergegebenem Rücken geht und seine Bewegungen durch den ganzen Körper gehen, kann im Trab und besonders auch im Galopp das Gehör hilfreich sein:

Wenn das Auffußen, besonders der Vordergliedmaßen sehr geräuschvoll vonstatten geht, die Hufe auf den Boden klatschen bzw. trommeln, muß man davon ausgehen, daß die Bewegungen sehr aufwendig und von Spannung geprägt sind. Das wirkt auf manche Betrachter zwar spektakulär, führt aber auch zu stärkerem Verschleiß im Bewegungsapparat.


Ist die tiefgeführte Hand immer die beste?

Aus dem Magazin der DRV (Deutsche Richtervereinigung e.V.), Heft 4, 2008

­Hier kommen Sie zum PDF des Artikels.

 


Umgang mit der natürlichen Schiefe des Pferdes

3. Webinar bei EquiPro

Über diesen Link „Umgang mit der natürlichen Schiefe des Pferdes” können Sie auf das PDF mit allen Informationen zu diesem Webinar zugreifen.


Offener Brief

 

In Dressurstudien Heft 1/2008 unter der Rubrik „Im Gespräch: Die Tierärztliche Sicht: Unterschiede zwischen den Reitweisen” äußert sich Herr Dr. Heuschmann zum „losen” Rücken beim Barockreiten wie folgt: „Diese Rückenposition (i.e. der „lose” Rücken) ist für Pferde absolut unschädlich.”

 

In dem hier verlinkten offenen Brief beziehe ich gemeinsam mit Prof. Dr. Ellen Kienzle Stellung zu diesem Thema.

 

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf das Kapitel 11 „Losgelassenheit – Voraussetzung und Kriterium jeglicher Ausbildung” aus meinem Buch „Richtig Reiten – eine Herausforderung”.

 


Reiterliche Fachsprache

In jüngster Zeit wird mehr denn je über die Verantwortung gesprochen, die jeder Ausbilder, aber in besonders hohem Maße auch jeder Richter bezüglich richtigen Reitens und korrekter Pferdeausbildung hat. Um wirklich ernst genommen zu werden und glaubwürdig zu sein, ist es wichtig, sich der Fachsprache zu bedienen, die sich bei uns in Deutschland über Generationen entwickelt, vereinheitlicht und sehr bewährt hat. Zusätzlich sollte man als Richter auch bedenken, daß es nicht nur auf die korrekte Anwendung feststehender Begriffe ankommt; vielmehr muß auch darüber reflektiert werden, wie die Aussagen, Hinweise oder Korrekturvorschläge beim Adressaten, sei er Reiter oder Ausbilder, ankommen und verstanden werden.

 

Im Folgenden dazu einige Beispiele geben:

Dehnung

Zur Überprüfung der Losgelassenheit wird Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen geritten. Dabei ist die Dehnungsbereitschaft und -fähigkeit des Pferdes das entscheidende Kriterium.

Im Zusammenhang mit Verstärkungen ist nur im Schritt tatsächlich Dehnung (Vorwärts-Abwärtsbewegung des Kopfes und des Halses aus der Schulter heraus) in Verbindung mit der entsprechenden Nickbewegung erforderlich, die aus Schulter- und Ellbogengelenk zugelasssen werden muß. In einer Trab- oder Galoppverstärkung, die unbedingt aus der Versammlung entwickelt wird, wünschen wir Rahmenerweiterung; das Pferd soll sich dabei im Halsbereich ein wenig öffnen und mit der Stirn-Nasen-Linie etwas deutlicher an oder vor die Senkrechte kommen (je nach Form des Halses). Es soll aber nicht tiefer kommen, vielmehr soll das Genick der höchste Punkt bleiben.

Beim Tritte und Sprünge verlängern mit jüngeren Pferden und während der lösenden Arbeit kann Versammlung höchstens ansatzweise vorausgesetzt werden. Deshalb kann hierbei die Rahmenerweiterung mit etwas Dehnung verbunden sein.

 

Grundschwung

Der Ausdruck Grundschwung ist eigentlich in sich widersprüchlich und wenig üblich, weil nach unserer Reitlehre Schwung etwas ist, was durch korrektes Reiten (Losgelassenheit des Rückens, vertrauensvolles Herantreten an die Hand und daraus resultierendem Durchschwingen der energisch abfußenden Hinterbeine) entwickelt werden muß.

Richtiger wäre es hier von Schwungbegabung bzw. -veranlagung zu sprechen. So kann übrigens auch ein überdurchschnittlich schwungbegabtes Pferd kaum Schwung entwickeln und zeigen, wenn es sich auf Grund schlechten Abreitens oder insgesamt fehlerhafter Ausbildung nicht losläßt. (Ursache dafür ist häufig mangelndes Vertrauen zu den reiterlichen Einwirkungen, besonders auch eine feste oder rückwärtswirkende Hand, die eine Hergabe des Pferderückens verhindert)

 

Selbsthaltung

Unter Selbsthaltung versteht man, daß das Pferd auf Grund korrekter Ausbildung gelernt hat, sich optimal auszubalancieren und sich selbst und das Reitergewicht dank der heranschließenden Hinterhand zu tragen. Dadurch ist es in der Lage, feine Reiterhilfen anzunehmen und ihnen zu folgen; besonders die Zügelhilfen können immer dezenter eingesetzt werden.

Die klassische Übung zur Überprüfung der Selbsthaltung ist das Überstreichen.

Leider besteht vielfach die Vorstellung, daß Selbsthaltung nur beim versammelten und korrekt (relativ) aufgerichteten Pferd ein Kriterium ist.

Auch beim Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen, überhaupt wenn ein Pferd in Dehnungshaltung geht, ist diese nur wertvoll, wenn es auch dabei in Selbsthaltung geht, selbstverständlich willig und vertrauensvoll an die Hand herantritt, aber ohne sich auf die Hand zu stützen. Der Reiter sollte durch Treiben das Pferd nur soweit zur Dehnung bringen, daß er das Pferd immer noch vor sich fühlt. Einem übertriebenen Dehnen muß mit der an die ruhig aushaltende Hand herantreibenden Schenkelhilfe vorgebeugt werden. Keinesfalls darf die Hand rückwärtswirken.

 

Mehr Aufrichtung!

In unteren Klassen (besonders in Klasse A) ist der Hinweis „mehr Aufrichtung!“ sowieso wenig angebracht, weil ja Versammlung nur ansatzweise gefragt ist. In höheren Klassen muß man sich zumindest aber fragen, ob die Forderung nach mehr Aufrichtung vom Reiter richtig verstanden wird, daß er eine Verbesserung diesbezüglich nur durch ein verstärktes Heranschließen (Mit- und Untertreten) der Hinterhand einschließlich Hankenbeugung erreichen kann, keinesfalls aber durch vermehrte oder gar rückwärtswirkende Einwirkungen mit den Zügeln.

In manchen Fällen wäre es sicherlich angebracht, ganz deutlich zu formulieren und zu sagen, daß das Pferd auf der Vorhand geht und dringend besser an die treibenden Hilfen gebracht werden, also von hinten nach vorne aktiviert werden muß.

In höheren Klassen sollte auch betont werden, daß nur durch richtigeres Versammeln die relative Aufrichtung verbessert werden kann.

 

Verwerfen

Wenn ein Pferd mangels Losgelassenheit, besonders in der Ganasche, und Geradegerichtetseins und/oder wegen zu starker einseitiger Einwirkung mit der Hand den Kopf schief hält (ein Ohr höher bzw. tiefer hält), sollte man den Fachausdruck „Verwerfen“ benutzen, nicht aber von „Verkannten“ sprechen.

 

Energisches Treiben

Durch diesen Ausdruck bekommt der Reiter leicht den Eindruck, er müsse sehr kraftvoll mit seinen treibenden Hilfen einwirken, dem Pferd gewissermaßen Beine machen. Dies mag momentweise auch einmal angebracht sein; normalerweise wird ein Pferd, welches sich unter dem Reiter wohlfühlt, willig vorwärtsgehen und Spaß daran haben, sich mit dem Reiter zu bewegen.

Wenn ein Pferd nicht genügend voran geht, wenig Aktivität aus der Hinterhand zeigt, ist es das Wichtigste, darüber nachzudenken, wodurch das Pferd sich eventuell gehindert fühlt, bereitwillig vorwärts zu gehen. Alles, auch noch so energisches Treiben wird nämlich nichts nützen, wenn der Reiter z.B. durch einen unelastischen Sitz und eine womöglich blockierende oder gar rückwärtswirkende Hand das Pferd in seiner Gehfreude beeinträchtigt. Hinzu kommt noch, daß viele Reiter mangels Losgelassenheit und Koordinationsfähigkeit (wenig Gefühl für das Zusammenwirken der Hilfen) im gleichen Moment, in dem sie sehr aktive, „energische“ Schenkelhilfen geben, hinter die Bewegung kommen (Rücklage) und mit festen Händen das Pferd im Maul irritieren anstatt mit elastischer Mittelpositur leicht in Bewegungsrichtung zu sitzen.

 

An den treibenden Hilfen haben

Der gute Reiter hat das richtig gerittene Pferd vor sich bzw. an den treibenden Hilfen. Die Ausdrucksweise das Pferd vor den treibenden Hilfen” zu haben dagegen ist nicht ganz richtig; sie könnte vielleicht dann angebracht sein, wenn das Pferd vor den treibenden Hilfen wegläuft, also „auf der Flucht ist“.

 

Am Schenkel haben

Die Unterscheidung zwischen Schenkel und Bein bezieht sich zunächst darauf, daß die Schenkelhilfen in erster Linie die Unterschenkel betreffen; wenn es dagegen um das gesamte Bein – von der Hüfte bis zum Absatz – geht, z.B. bei einer Sitzkorrektur, dann ist es richtig, vom „Bein“ zu sprechen.

Wenn man nun dazu auffordert, nicht ständig vom Bein zu sprechen („der Reiter soll ´mal mit dem Bein kommen“), wenn Schenkelhilfen gemeint sind, ist dies die richtige über Jahrzehnte überlieferte Ausdrucksweise, aber auch eine Frage der Sprachkultur.

 

Sich schwer hinsetzen

Wenn Reiter aufgefordert werden, sich schwer(er) hinzusetzen, neigen sie in der Regel dazu, vermehrt hintenüber, mit angespanntem Kreuz (ständig angespannter Bauch- und unterer Rückenmuskulatur) und nach hinten gekipptem (fachmännisch: aufgerichtetem) Becken zu sitzen. Dadurch wird meist die Mittelpositur fest und unelastisch, sodaß ein Mitschwingen am losgelassenen Pferderücken fast unmöglich ist.

Besser wäre die Empfehlung, losgelassener, tiefer im Sattel zu sitzen und mehr Platz zu nehmen, die Gesäßmuskeln und die Klemmer (Muskeln, die für den Knieschluß verantwortlich sind) müssen losgelassen werden.

Dieses Reiten mit angespanntem Kreuz kann, wenn überhaupt, nur ganz kurzfristig, vielleicht für einige wenige Tritte oder Sprünge richtig sein. Durch das anschließende Abspannen und wieder elastischere in die Bewegung eingehen bekommt das daraufhin fleißiger und aktiver gehende Pferd die positive Bestätigung.

 

Paraden

Gutes Reiten steht und fällt damit, daß der Reiter frühestmöglich lernt, daß sich richtige Paraden durch das gefühlvolle Zusammenwirken aller Hilfen auszeichnen. Insofern ist es auch nicht korrekt, im Sprachgebrauch Zügelhilfen als Paraden zu bezeichnen.

Ausdrucksweisen wie „halbe Parade am äußeren Zügel“ oder „halbe Paraden werden aus dem Handgelenk heraus gegeben“ vermitteln dem Reiter geradezu die falsche Vorstellung, Paraden seien mehr oder weniger ausschließlich Zügelhilfen.

Je mehr beim Geben von Paraden die treibenden Hilfen (Gewicht und Schenkel) im Vordergrund stehen, je weniger der Reiter dabei mit den Zügeln aktiv einwirken muß, desto besser kommen seine gefühlvollen Hilfen durch, desto höher sind seine reiterlichen Fähigkeiten einzuschätzen. (v. Neindorff: Treiben – aufnehmen – leicht werden)

Die meisten Lektionsfehler werden durch fehlerhafte Handeinwirkung verursacht; häufig mangelt es nur am rechtzeitigen Leichtwerden.

Die Bedeutung der Zügelhilfen im Zusammenwirken aller Hilfen beträgt ca. 70-80%, ihre Aktivität sollt bei einem richtig gerittenen Pferd und einem losgelassen sowie korrekt sitzenden Reiter nur ca. 20 % betragen.

 

Mit hingegebenem Zügel – Am langen Zügel

Diese beiden (der vier möglichen) Zügelmaße sollten nicht verwechselt oder sogar durcheinander geworfen werden:

Beim Reiten mit hingegebenem Zügelwerden die Zügel ganz am Ende, an der Schnalle angefaßt und hängen durch, sodaß keine Verbindung zum Pferdemaul mehr besteht. (Deshalb ist der Ausdruck „am hingegebenen Zügel“ auch falsch.)

Mit diesem Zügelmaß kann man zu Beginn, am Ende und auch in Zwischenpausen reiten; sinnvoll ist dies jedoch nur, wenn das Pferd auch dabei mit konvexer, runder Oberlinie, d.h. mit fallengelassenem Hals und losgelassenem Rücken schreitet.

Beim Reitenam langen Zügelwird die Zügellänge so gewählt, daß eine leichte stete Verbindung zum Pferdemaul besteht, die es möglich macht, die natürliche Nickbewegung mit der Hand zu begleiten. Das gerittene, richtig ausgebildete Pferd wird auch bei diesem Zügelmaß im Genick nachgeben, vertrauensvoll an die Hand herantreten und sich auch, vornehmlich mit Hilfe des inneren Schenkels, stellen lassen; man spricht hierbei von Genickkontrolle.

Mittel- und starker Schritt wird stets am langen Zügel geritten.

 

Durchstellen

Beim Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen soll sich das Pferd zunächst vertrauensvoll vorwärts-abwärts an die Hand herandehnen; der sollte dabei durch leichtes Öffnen der Hand die Zügel je nach Halsform des Pferdes ca. 15 – 20 cm herausgleiten lassen. Beim Wiederverkürzen der Zügel sollte es im Genick nachgiebig bleiben. In diesem Zusammenhang davon zu sprechen, daß sich das Pferd beim Verkürzen der Zügel „durchstellen“ lassen sollte, vermittelt nur dem Reiter die Vorstellung, mit der Hand das Pferd wieder beizäumen zu müssen, etwa indem er einmal links, einmal rechts das Gebiß durchs Maul zieht.

 

Schwerpunkt des Pferdes nach hinten verlagern

In unserer Reitlehre wird durchgängig das Prinzip verfolgt, daß möglichst bei allem, was wir reiterlich erreichen wollen, unser Denken und erst recht unsere Einwirkungen auf das Pferd vorwärtsgerichtet sein sollen. Deshalb ist eine solche Ausdrucksweise per se kontraproduktiv; sie vermittelt schon vom Wortlaut her eine gewisse Rückwärtstendenz. Stattdessen ist es sicherlich besser, sich folgendermaßen auszudrücken:

Der Reiter muß bestrebt sein, das Pferd zu schließen, seine Hinterbeine durch entsprechende Übungen und Lektionen vermehrt in Richtung unter den Schwerpunkt treten oder springen zu lassen. Bei jeglicher versammelnden Arbeit kann das Pferd umso leichter mit der Hinterhand heranschließen, je weniger es im Hals eng gemacht und dadurch seine Balancierstange verkürzt wird. Der sogenannte Bogen vor der Hand wird dabei nicht kürzer als der Bogen hinter der Hand. Der Reiter behält das Pferd gut vor sich (Optisch ist mindestens die Hälfte des Pferdes vor ihm).

Insgesamt ist dies aber eine Frage der Ausbildung und des Gebäudes des einzelnen Pferdes.

 

„Hohl”

Dieser Ausdruck wird beim Reiten in zweierlei Zusammenhang gebraucht:

Zum Einen sagt man, das Pferd macht den Rücken hohl, wenn es nicht mit losgelassenem Rücken geht, sich im Rücken nicht wohlfühlt und deshalb ihn nicht hergibt. Manchmal drückt es sogar den Rücken weg oder läßt ihn mangels entsprechender Bemuskelung und Dehnungsfähigkeit einfach durchhängen.

Zum Anderen spricht man im Zusammenhang mit der Schiefe eines Pferdes von der festen, der Zwangsseite und der sog. schwierigen, der hohlen Seite, der Seite also, auf der das Pferd sich scheinbar leichter biegt. Diese Seite als schwierige zu bezeichnen ist aber deshalb berechtigt, weil beim Stellen und Biegen zur anderen Seite es  auf dieser Seite an der notwendigen Geschmeidigkeit und Dehnungsfähigkeit fehlt und das Pferd in der Regel hier nicht vertrauensvoll genug an die Hand herantritt. Besonders deutlich wird es jeweils, wenn diese Seite die äußere ist, also beim rechts hohlen Pferd auf der linken Hand. Dabei muß es sich vor allem auf der rechten Seite besser dehnen, an den rechten Zügel sicherer herantreten und der nachgebenden rechten Hand folgen.

In beiden Fällen bezieht sich also der Ausdruck hohl auf etwas Negatives. Deshalb ist es sicherlich nicht so sinnvoll in anderem Zusammenhang mit „hohl machen“ etwas Positives zu bezeichnen, nämlich wenn es darum geht, daß das Pferd auf der festen Seiten geschmeidig werden und sich besser um den inneren Schenkel biegen soll.

     

Geraderichten - Geradeaus Stellen

Gemäß unserer Reitlehre geht ein Pferd dann geradegerichtet, wenn es sich sowohl auf gerader als auch auf gebogener Linie eingespurt, also hufschlagdeckend bewegt; die Krümmung seiner Körperachse entspricht dabei genau der zu reitenden Hufschlaglinie, also z.B. auch in der Ecke und in einer Volte.

Wenn ein Pferd z.B. nach einer Volte wieder auf gerader Linie weiter gehen soll, kann es geradeaus gestelltwerden; dies ist die fachlich korrekte Ausdrucksweise.

Manchmal wird stattdessen von einem Geradeaus richten gesprochen. Aus Gründen der fachlichen Richtigkeit und der Eindeutigkeit sollte dies vermieden werden.

Ein geradegerichtetes Pferd kann links, rechts oder geradeaus gestellt sein.

 

Zur Erklärung noch ein anderes Beispiel:

Beim Reiten zweier halber Volten (10 m) rechts und links der Mittellinie, einer Übung, die in einigen aktuellen Aufgaben vorkommt, bewegt sich das korrekt gehende Pferd durchgängig links oder rechts gestellt, aber geradegerichtet und wird beim Handwechsel auf der Mittellinie über ca. eine Pferdelänge geradeaus umgestellt.

Ein korrekt ausgebildetes älteres Pferd kann, z.B. beim Reiten zweier Acht- oder Sechs-Meter-Volten bei X nach rechts und links, unmittelbar von einer Wendung geschmeidig in die andere gestellt und gebogen werden, also ohne eine Pferdelänge im Geradeaus dazwischen.

 

Laufen

Der Begriff „laufen” ist im Zusammenhang mit den Bewegungen eines Reitpferdes negativ belegt: Wenn man von einem Pferd sagt, es laufe im Trab, dann meint man damit ein mehr oder weniger eiliges Dahinlaufen in kurzen Tritten.

Wenn ein Reiter angeben will, wie weit sein Pferd ausgebildet ist, sollte er z.B. sagen, „er geht bis Kl. L“ oder „es wurde bisher bis Kl. L gestartet“.

 

Hals fallen lassen

Wenn ein Pferd aus der Schulter heraus den Hals fallen läßt, dann öffnet sich die S-förmig gebogene Halswirbelsäule nach vorwärts abwärts. Über die Nackenplatte, das Nacken-Rückenband und die obere Halsmuskulatur entsteht Zug an den Dornfortsätzen im Bereich des Widerristes, sodaß der Rücken hergegeben und etwas angehoben wird.

Die Bereitschaft eines Pferdes, in jeder Phase einer Trainingseinheit den Hals fallen zu lassen und Dehnungshaltung einzunehmen, ist eines der wichtigsten Kriterien richtiger Ausbildung – man spricht von Dehnungsbereitschaft.

Das Pferd hat konsequent die Erfahrung gemacht, daß es sich in Dehnungshaltung entspannen und erholen kann, daß es ihm aber auch in dieser Position sehr leicht fällt den Reiter zu tragen.

     

Vorherrschende Trense

Oft sieht man Trense und Kandare gleich stark anstehen. Eine harte Handeinwirkung und Schwierigkeiten beim Stellen und Biegen sind die Folge. Beide Kandarenzügel sollen etwas weniger anstehen, besonders der jeweils äußere. Zum Nachfassen soll der Reiter beide Hände benutzen. Nur eine unverkrampft geschlossene Hand gewährleistet das sichere Zügelmaß.

 


 


Leserbrief an Herrn Tönjes

Chefredakteur des St. Georg betreffs des St. Georg Spezials „Richtig Reiten Reicht, Heft Nr. 11a vom Oktober 2021

Sehr geehrter Herr Tönjes,

Sie und Ihr Team haben sich immer wieder für pferdegerechtes, gutes Reiten positioniert – das finde ich auch sehr anerkennenswert. Das ist sicherlich auch Ihre Intention beim Heft 11a 2021! Mir wurde dieses Heft 11a gar nicht zugesandt. Ich wurde erst von fachkundigen Freunden darauf aufmerksam gemacht und aufgefordert, es mir unbedingt kritisch anzuschauen.


Ich habe es mir dann am vergangenen Sonntag erst gekauft und mich in den letzten Tagen mit einigen wirklich fachkundigen Menschen darüber ausgetauscht; deshalb komme ich auch erst jetzt dazu, Ihnen kurz zu schreiben:
Ohne mich in Einzelheiten verlieren zu wollen, fühle ich mich verpflichtet, vor allem Herrn Stecken zu liebe, meiner Verwunderung, ja Betroffenheit über diese Ausgabe Ausdruck zu verleihen. Mit Paul Stecken war ich bis zu seinem Tode sehr eng verbunden und wir tauschten uns sehr regelmäßig, natürlich auch über hippologische Themen aus. Besonders imponiert hat mir an ihm immer, wie er in seinen Aussagen in all den Jahren, auf die großartige Entwicklung in unserer Warmblutzucht einging; dementsprechend paßte er manche reiterlichen, von alters her überbrachten Empfehlungen und Anweisungen ganz differenziert an diese modernen „großartigen, geborenen Reitpferde”, wie er sie bezeichnete, an!   Er war ein ganz wundervoller, sehr präzise formulierender Gesprächspartner, egal worum es ging!

 

Wenn ich von Verwunderung und Betroffenheit spreche, dann betrifft das die Anmaßung, mit der man Ihn in diesem Heft zu vereinnahmen versucht und ihn benutzt; ich bin ganz sicher, wenn ihm das Heft vorläge, wäre er, um es diplomatisch zu formulieren, „not very amused“.

 

Es soll sicherlich auch in diesem St. Georg Spezial gutes Reiten herausgestellt werden, leider wurden aber großenteils Bilder verwendet, die fachlich gesehen mit Mängeln, ja sogar Fehlern behaftet sind. Auch viele Texte sind, um wieder Paul Steckens Sprache zu benutzen, „wenig wertvoll“, teilweise auch irreführend.

 

Falls gewünscht, bin ich natürlich gerne bereit, gegebenenfalls einzelne Punkte, besonders auch Photos, die ich für fehlerhaft bis kontraproduktiv halte, in einem Gespräch aufzuzeigen.

 

Mit freundlichen Grüßen
Michael Putz


 

“Wenn der Mensch je eine große Eroberung gemacht hat, so ist es die, daß er sich das Pferd zum Freund gewonnen hat.“

Comte De Buffon