Merksätze für den Ausbilder und Reiter:

Pferd und Reiter müssen als ein System betrachtet werden.

Deshalb muss jeder Ausbilder und Trainer sein Auge gleichermaßen für die Bewegungsabläufe und Befindlichkeiten des Pferdes und des Reiters schulen.

 

Fortschritte in der Ausbildung und Problemlösungen sind nur möglich, wenn es gelingt, die Ursache der Schwierigkeit herauszufinden und wir diese zu beseitigen versuchen, anstatt an den Symptomen herumzudoktern. Deshalb muss der verantwortungsbewusste Ausbilder auch beim Unterricht mit fortgeschrittenen Schülern bereit und entschlossen sein, auch am Reiter zu arbeiten, d.h. auf eventuelle Sitz- und Einwirkungsprobleme einzugehen.

 

Eine der Hauptursachen für mangelnde Losgelassenheit des Reiters ist ein erzwungen gestreckter, ja überstreckter Sitz. Den Reiter fixierende Sättel und auch nur geringfügig zu lange Bügel verbessern nur scheinbar den Sitz; vielmehr wird dadurch ganz erheblich die Elastizität des Reiters und damit die Funktion der gesamten Hilfengebung beeinträchtigt.

 

Nur aus der Bewegung heraus istein losgelassener, ausbalancierter Sitz (Gleichgewichtssitz) möglich. Die Vorstellung „still sitzen” zu wollen führt sehr leicht zu einem statischen Sitz und ist deshalb kontraproduktiv.
 

Jeglicher Rücklage-Sitz beeinträchtigt die Elastizität und Beweglichkeit des Reiters.

 

Das Pferd kann in der Regel nicht losgelassener sein als der Reiter.

 

Der gute Ausbilder wird möglichst oft positiv dem Reiter sagen, was er tun soll und weniger was er lassen soll. Dieses Prinzip gilt es auch für die Hilfengebung gegenüber dem Pferd möglichst gut umzusetzen.

 

Die Dominanz der treibenden Hilfen gegenüber den verhaltenden zu betonen ist zweifellos sehr richtig. Noch wichtiger aber ist es, ein Pferd so auszubilden und zu reiten, dass es sich unter dem Reiter wohlfühlt. Dann wird es Freude an der Bewegung haben und geradezu von selbst willig vorwärts gehen und „ziehen”.

 

Dem Pferd im Rücken ein gutes Gefühl zu vermitteln, ist die erste und wichtigste Aufgabe des Reiters bezüglich seines Sitzes. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit!
Dazu gehört auch, in Übergängen, z.B. beim Zulegen, in die Bewegung zu sitzen!

 

Der Effekt jeglicher „Kreuzeinwirkung" ist davon abhängig, wie das einzelne Pferd damit vertraut gemacht wurde, wie es diesbezüglich konditioniert wurde. Deshalb ist es bei vielen (Korrektur-)Pferden zunächst einmal wieder notwendig, die beidseitig belastende Gewichtshilfe nur sehr begrenzt einzusetzen, teilweise sogar ansatzweise im „Vorwärtssitz” zu reiten („freundlich zu sitzen”) und die treibenden Hilfen vornehmlich mit den Schenkeln zu geben.

 

Pferde, die "oben hingestellt" sind, haben meist übergroßen Respekt vor den Gewichtshilfen und sind mittel- und langfristig gar nicht mehr in der Lage, reelle Dehnungshaltung einzunehmen, weil es bei ihnen im Bereich der Rumpfstrecker zu Verkürzungen gekommen ist. Solche Pferde reagieren auf vermehrte „Kreuzeinwirkung” ausgesprochen negativ, ja fast schon allergisch.

 

Der innere Schenkel, der an den äußeren Zügel herantreibt, ist die entscheidende Hilfe beim Stellen und Biegen eines Pferdes; er muss dazu dicht am Gurt liegen und darf nicht zurückrutschen.

 

Schenkelgehorsam ist im Zusammenhang mit der Hilfengebung ein ganz essentieller Punkt. Nur wenn der Reiter gelernt hat, seine Schenkelhilfen kontrolliert und impulsartig einzusetzen, und die „Sitz-“ sowie die Zügelhilfen präzise mit diesen abzustimmen vermag, kann das Pferd diese Hilfen sensibel und vertrauensvoll annehmen.

 

Teilweise verleitet der Instinkt den Reiter zu falschen Reaktionen und muss deshalb durch den Verstand kontrolliert werden: ganz typisch z.B. wenn es um die Position der Hand geht oder darum, ein Pferd zum "Ziehen" zu konditionieren.

 

Jede Hilfe des Reiters, die keine unmittelbare Reaktion des Pferdes bewirkt, ist nicht nur überflüssig, sondert schadet; sie baut beim Pferd das Gefühl auf, dass es nicht wichtig ist, die Hilfen prompt anzunehmen.

 

Der Reiter sollte die Vorstellung haben, seine Hilfen wie Signale zu geben, auf deren Befolgen er fest vertraut. Dauerhilfen, wie z.B. pressende Schenkel, provozieren sehr leicht ein Gegenangehen bzw. Widerstand.

 

Gelegentlich kann es notwendig sein, vorübergehend mehr Kraft einzusetzen. Dies kann nur dann zu einem positiven Ergebnis führen, wenn der Reiter sich selbst dabei nicht verspannt oder gar verkrampft. Je entschlossener er dabei ist, desto schneller kann er wieder zum Abspannen kommen. Entscheidend ist, was sich im Kopf des Reiters abspielt!

 

Mit einer vom Sitz unabhängigen Hand reiten zu können, an die das Pferd vertrauensvoll herantritt, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten eines guten Reiters. Zügelführung mit einer Hand ist eine gute Kontrollübung bezüglich guter Anlehnung, kann aber auch bei sehr feinen Pferden das Vertrauen zur Hand fördern.

Mit zunehmendem Alter, wenn die Elastizität in der Mittelpositur etwas abnimmt, stellt eine gute Hand einen entscheidenden Teil des reiterlichen Kapitals dar.

 

Die Hand (Zügelhilfen) ist nur das Gegenüber für die Gewichts- und Schenkelhilfen, sie darf keinesfalls dominieren. Dies gilt ganz besonders auch für ganze und halbe Paraden.

 

Die nachgebende wird als die wichtigste Zügelhilfe bezeichnet: Wer im richtigen Moment nachzugeben, - besser - leicht zu werden versteht, wird ein im Genick nachgiebiges Pferd haben. Dieses Nachgeben stellt man sich am besten nur als ein Abspannen der vorher angespannten Muskulatur vor; ein aktives Vorgehen mit der Hand ist nur ganz selten notwendig.

 

Die Hand beziehungsweise die Zügelhilfen dürfen niemals als „Bremse“ verstanden werden, die z.B. beim Anreiten, Antraben oder Angaloppieren gelöst werden muss. Der Reiter sollte bei diesen Übergängen zunächst noch mit der unverkrampft aushaltenden Hand dranbleiben und erst einen winzigen Augenblick später, wenn das Pferd im Genick nachgiebig geblieben ist, leicht werden (abspannen)! Er sollte bei diesen Übergängen ruhig die Vorstellung haben, durch seine Hand, durch die Verbindung hindurchreiten zu wollen.

 

”Richtige” Paraden werden mit allen Hilfen geritten, die verhaltenden treten zunehmend in den Hintergrund!

 

Nur wer halbe und ganze Paraden reiten kann, ohne das Pferd dabei eng zu machen, kann optimale Durchlässigkeit erreichen. Der gute, erfahrene Reiter benötigt dazu so gut wie keine aktiven Zügelhilfen.

 

Positives Denken ist beim Umgang mit dem Pferd und beim Reiten ganz besonders wichtig, weil Pferde eine sehr feine Antenne für die mentale Situation des Menschen haben. Wenn der Reiter selbst nicht an das Gelingen einer Übung oder Lektion glaubt, kann er nicht erwarten, dass das Pferd seinen Anweisungen folgt.

 

Der Reiter muss versuchen, möglichst oft zu agieren statt zu reagieren; er muss also mit seinen Gedanken dem Pferd immer ein wenig voraus sein (antizipieren)!

 

Geduld und Ausdauer sind sehr wichtige Eigenschaften im Umgang mit Pferden. Zuviel Nachsicht kann aber manchmal vom Pferd als Unentschlossenheit und Unsicherheit ausgelegt und ausgenutzt werden, so dass es zu mangelnder Akzeptanz der Hilfen kommt. Pferde sind in dieser Hinsicht wie Kinder - sie testen, ob eine Anweisung auch wirklich ernst gemeint ist. Besonders das lernende Pferd braucht deshalb einen entschlossenen und sicheren Reiter.

 

Auch in Verstärkungen muss der Reiter die Initiative behalten; das Pferd darf nicht antizipieren. Nur dann kann er das Pferd an den treibenden Hilfen, also vor sich behalten.

 

Die Taktsicherheit ist bei allem das oberste Kriterium; dies gilt besonders auch für Wendungen, Übergänge und Seitengänge.

 

Auch beim fortgeschrittenen Pferd muss in der Lösungsphase im Arbeitstempo geritten werden; auch in der Arbeitsphase muss es jederzeit möglich sein, das Arbeitstempo abzufragen. Dabei ist es, besonders bei der lösenden Arbeit wichtig, das für das jeweilige Pferd individuell passende Grundtempo zu finden; das gilt vor allem für das Arbeitstempo im Trab!

 

Wenn ein Pferd triebig ist, mangelt es nicht immer an den treibenden Hilfen; sehr häufig lässt der Reiter mangels Elastizität des Sitzes und wegen einer unnachgiebigen Hand zu wenig zu. Er verleidet dem Pferd richtiggehend die Freude am Vorwärtsgehen.

 

Ein Pferd in Dehnung zu reiten ist nur dann wirklich wertvoll, wenn es auch in dieser Haltung ans Gebiß herantritt, im Genick nachgibt, sich selber trägt und der Reiter es vor sich behalten kann.

 

Auch für eine Remonte kommt es nicht so sehr darauf an, durchgängig in Dehnungshaltung zu gehen. Viel wichtiger ist es, das junge Pferd mit immer wieder wechselndem Rahmen zu reiten, d.h. Dehnung und etwas geschlossenere Haltung im Wechsel abzufragen, weil dabei die Muskulatur noch besser ab- und abspannt; dadurch wird die Losgelassenheit und der Muskelaufbau besonders gut gefördert, auch die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd wird dadurch verbessert.

 

Ein korrekt ausgebildetes und gut gerittenes Pferd wird in jeder Phase einer Trainingseinheit Dehnungsbereitschaft zeigen.

 

Im Schrittist die mentale Verfassung eines Pferdes besonders gut zu erkennen.

 

Beim Schrittreiten empfiehlt es sich möglichst bald, „mit Verbindung zum Pferdemaul”, besser noch „am langen Zügel” zu reiten. Wenn der Reiter gelernt hat, dabei die natürliche Nickbewegung im Schritt mit der Hand zu begleiten, fördert das sehr gut das so wichtige Vertrauen zur Reiterhand!

 

Der Reiter muss dem Pferd das Herantreten an die Hand nicht nur gestatten, vielmehr ihm die Anlehnung schmackhaft machen und ihm zeigen, wie toll es ist, mit Verbindung zur Hand in guter Anlehnung zu gehen. Eine feine, vom Sitz unabhängige Reiterhand, an die das Pferd vertrauensvoll herantritt, ist die entscheidende Voraussetzung dafür.

 

Echter Schwung setzt gute Losgelassenheit des Rückens und vertrauensvolles Herantreten bzw. -springen an die Hand voraus. Ist das nicht gegeben, wird auch ein wundervoll schwungbegabtesPferd nicht schwungvoll gehen können; es fußt eventuell trotzdem mit den Hinterbeinen hoch ab, kann aber nicht optimal nach vorne durchschwingen.

 

Die Querverbindung zwischen guter, von Vertrauen zur Hand geprägter Anlehnung und reellem, durch den Körper gehenden Schwung ermöglicht, daß das Pferd mit einem gesunden, gut zu kontrollierenden Vorwärtsdrang, stets vorwärts orientiert ist und „zieht”. So zeigt es „Gehfreude” und behält diese auch!

 

Mit Stellung und Biegung zu reitenist nur dann sinnvoll, wenn es zunehmend gelingt, das Pferd dabei auch auf seiner festen, der Zwangsseite sicher an den diagonalen Hilfen(innerer Schenkel – äußerer Zügel) zu haben. Es sollte den jeweils inneren Schenkel so gut annehmen und respektieren, daß es sicher an den äußeren Zügel herantritt und der Reiter mit der inneren Hand leicht werden kann.
Mit jungen Remonten bzw. wenig gerittenen Pferden ist es weniger schädlich, zeitweise auch mit falscher Stellung zu reiten, als zu viel am inneren Zügel zu ziehen.

 

Der Reiter muss lernen, mit der natürlichen Schiefe des Pferdes umzugehen, reell am Geraderichten zu arbeiten und nicht nur die Schiefe zu kaschieren oder zu kompensieren.

 

Es ist sinnlos, ja sogar kontraproduktiv, mit versammelten Übungen und Lektionen zu beginnen, bevor das Pferd nicht mit nachgiebigem Genick losgelassen über den Rücken geht. Man muss sich davor hüten, bei Pferden, die von Anfang an eine schöne, scheinbar aufgerichtete Haltung für eine Aufgabe anbieten, dies anzunehmen und auf Reiten in Dehnungshaltung zu verzichten.

Zu Beginn jeder Trainingseinheit sollte bei jedem Pferd das Öffnen seiner Oberlinie abgefragt werden.

 

Nur ein Pferd, welches „zieht”, kann richtig geradegerichtet und seriös versammelt werden.

 

Versammlung darf niemals auf Kosten des Taktes und des Fleißes gehen.

 

Übergänge sind die Momente der Wahrheit: Wenn ein Pferd dabei taktsicher, losgelassen und nachgiebig im Genick bleibt, können seine Bewegungen über den Rücken und durch den ganzen Körper gehen, ist es also durchlässig. – Dies gilt besonders auch für die Rückführungen!

 

Nur wenn die Übergänge mit nachgiebigem Genick gelingen, kann die neue Gangart mit aktiver Hinterhand beginnen; besonders auch bei den Übergängen von der höheren in die niedrigere Gangart sowie bei der Rückführung nach einer Verstärkung kann die Hinterhand nur bei nachgiebigem Genick durchschwingen und heranschließen.

 

Übungen und Lektionen können zum Erreichen von Ausbildungszielen beitragen und sind sehr gut geeignet, die Qualität und den Stand der Ausbildung zu überprüfen. Das Reiten von Lektionen darf deshalb nicht zum Selbstzweck werden und zum Abrichten des Pferdes führen.

 

Sporen und Gerte dürfen nur ganz gezielt und punktuell eingesetzt werden. Andernfalls stumpft das Pferd ab.

 

Richtiges Reiten setzt voraus, die Anforderungen stets auf den Ausbildungs- und Trainingszustand von Pferd und Reiter abzustimmen.

 

Richtiges Reiten ist angewandter Tierschutz für das Reitpferd. Der verantwortungsbewusste Reiter wird aber auch für pferdegerechte Haltung und angemessene Fütterung, für fachgerechte Hufpflege einschließlich evtl. notwendigen Beschlags sowie optimal passendes Sattel- und Zaumzeug sorgen. Er wird nur auf Plätzen und in Hallen reiten, die geeignete und gepflegte Bodenverhältnisse bieten, auch im Gelände wird er seine Reitweise den Bodenverhältnissen anpassen. Das ganze Paket muss stimmen!

 

Reiten, vor allem das Lernen „richtigen Reitens”, ist Schule für's Leben. Es ist eine durchaus anspruchsvolle Herausforderung!

Ein guter Ausbilder kann daran großen Anteil haben! Auch für ihn ist die Vermittlung eine sehr anspruchsvolle Aufgabe!

 

 

© Michael Putz

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“Wenn man viele Reiter sieht, deren Pferde zwar alles mögliche gehen, aber durch totes Maul und schlaffe Bewegungen einen so traurigen, lebensmüden Eindruck machen, so liegt das nur daran, daß den armen Tieren durch unvernünftige Überbürdung das Herz gebrochen ist, und jeder Freund des edlen Pferdes wird weit mehr denjenigen Reitern Anerkennung zollen, deren Pferde nur natürliche Gänge, dabei aber Kraft und Eifer zeigen, sowie ein freundliches, munteres Gesicht machen.“ (S. 235)

Gustav Steinbrecht (1808 – 1885) – Gymnasium des Pferdes

 

“Die Reitkunst ist eine unendlich schwere Kunst, und noch niemand ist wohl in vollem Sinne Meister darin geworden, bevor ihm das Alter den Scheitel gebleicht hat.“

Gustav Steinbrecht (1808 – 1885)